Kunsthalle Erfurt: Zeitgenössische Kunst aus Krakau, Polen (2007)

Mariusz Salwinski
artdesigncafé - art | Publiziert am 30. September 2011
Diese Einführung wurde zunächst im Ausstellungskatalog veröffentlicht ,,Otwarta pracownia— Offenes Atelier, Zeitgenössische Kunst aus Krakau" (16. September - 4. November 2007) Kunsthalle Erfurt, Deutschland.

Begriffe wie die ,,Krakauer Schule" bzw. die Staatliche Akademie der Bildenden Künste zu Krakau stehen in Polen für hochwertige Kunst und solides Handwerk. Die Krakauer Akademie gehört zur Spitze unter den polnischen Kunsthochschulen.

Alle Mitglieder der Künstlergruppe ,,0ffenes Atelier— Otwarta pracownia" haben diesen akademischen Weg absolviert und im Jahre 1995 einen eigenen Kunstverein ins Leben gerufen, verbunden mit einer Produzentengalerie. Als Vertreter der Generation, die in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts geboren wurde, gehören die Künstler heute zu den Hauptvertretern der zeitgenössischen Kunstszene in Polen.

Die Ausstellung der Werke von acht Künstlerinnen und Künstlern dieser Gruppe in der Kunsthalle Erfurt leistet einen wichtigen künstlerischen Beitrag im Rahmen der Partnerschaft Thüringen / Erfurt - Małopolska / Krakau und unterstreicht im Rahmen dieser regionalen Partnerschaft die Rolle Mitteleuropas im europäischen Prozess. Sie festigt die eigene Position der Künstlergruppe im aktuellen Kunstgeschehen und befruchtet die gegenwartige Diskussion über die wechselseitige Beeinflussung zwischen den Weltkulturen auf dem alten Kontinent.

,,0ffenes Atelier - Otwarta pracownia" versteht diese Ausstellung außerdem als ein Plädoyer fur die unabhängige Position der Kunst und ihre Befreiung von einseitig wirtschafts- und politikbetonten Ost-West-beziehungsweise Nord-Süd-Schemata.

Der vorliegende Band zu der Ausstellung ist bisher die umfangreichste Publikation über die Künstlerinnen und Künstler aus Krakau im deutschsprachigen Raum. Er bietet einen facettenreichen Einblick in das Schaffen von Olgierd Chmielewski, Ignacy Czwartos, Jacek Dłuzewski, Krzysztof Klimek, Stanisław Koba, Maria Luiza Pyrlik, Jadwiga Sawicka und Grzegorz Sztwiertnia.

Die erste derartig umfangreiche Präsentation der Krakauer Künstlerinnen und Künstler in Erfurt gibt dem deutschen und internationalen Publikum die Gelegenheit, sich mit den aktuellen Kunsttendenzen aus Polen zu befassen und auseinander zu setzen. Dies wird durch das geplante deutsch-polnische Künstlersymposium kunstkritisch und kunsttheoretisch abgerundet.

Die Arbeiten, die während der Ausstellung präsentiert werden, zeigen Freizügigkeit der Bewegung zwischen den Medien Malerei, Photographie, Video und Installation. Dabei vermittein die Künstler sowohl die Botschaft der ,,puren Kunst", als auch den Versuch. Fragen der modernen Gesellschaft aufzugreifen. Diesbezüglich werden manche Betrachter vielleicht erstaunt sein, wie direkt einige Künstler der Gruppe auf unterschiedliche gesellschaftliche Prozesse unserer Zeit eingehen, um diese kritisch und künstlerisch zu analysieren.

An dieser Stelle sollte noch erwahnt werden, dass sich die Künstlersozietät ,,0ffenes Atelier— Otwarta pracownia" als eine Art der Produzentenvereinigung behauptet, vor allem im nichtkommerziellen Bereich der Kultur. Das Kunstverständnis ihrer Mitglieder bezieht sich nicht auf die ortsgebundene Kunstvision, sondern nimmt die allgemein spürbare, tiefe Unsicherheit und Desorientierting im Kunstwesen wahr. Die Mitgliedschaft von Kunsthistorikern, Kunsttheoretikern, Philosophen und Kultursoziologen ermöglicht weitreichenden Einfluss im Verlagswesen Krakaus.

In der Grundsatzformulierung der Vereinigung ,,0ffenes Atelier - Otwarta pracownia" aus dem Jahre 1995 lesen wir, dass ..die Geschäftstätigkeit nicht dem Selbstzweck dient. Das Ziel der Gruppe darf darin nicht bestehen, den Wettstreit auf dem Parkett des Prestiges auszutragen. Die Struktur der Sozietat soll soweit transparent sein, dass die Künstlerprofile und die Werke nicht verschleiert werden dürfen. Otwarta pracownia sucht nach der Kunst, untersucht ihre Konditionen und stellt sie aus. Die Gruppe distanziert sich von Promotionsstrategien merkantiler Art und nimmt an solchen nicht teil".

Das jetzige Domizil der Gruppe befindet sich im angesagten und mittlerweile sehr teueren jüdischen Viertel Krakaus Kazimierz. Im Zusammenhang der Restitutionsprozesse im intemationalen Kontext nach der Wende in Polen und der daraus resultierenden Notwendigkeit ständiger Umzüge, hat sich im Laufe der Zeit das Verständnis der Gruppe für räumliche Zugehörigkeit und existenzielle Absicherung künstlerisch als ..Work in progress" entwickelt.

Ich danke -auch im Namen der Künstlersozietat ,,0twarta pracownia"- Herrn Prof. Dr. Kai Uwe Schierz, Direktor der Kunsthalle Erfurt, und seinem Team für die gelungene Umsetzung des Projektes.

Mariusz Salwiński
Kurator